Dissertationsprojekte

Kommunikatives Handeln und politische Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter. Was sich ändert, was gleichbleibt und wie dies zu bewerten ist (Arbeitstitel)

Dissertationsprojekt von Lisa Schurrer
Die politische und wissenschaftliche Öffentlichkeit ist in den letzten Jahren stark durch die Debatte um Digitalisierung und deren Auswirkungen geprägt. Das vorliegende Projekt soll einen Beitrag leisten, den Fragen um die Auswirkungen von Digitalisierung auf Kommunikation und Öffentlichkeit einen bestimmten Schwerpunkt zu geben: den der kommunikationstheoretischen Grundlage von demokratischen Gesellschaften. Auf der Basis eines kritisch geprüften und erweiterten Konzepts des kommunikativen Handelns – so die Hauptthese – kann ein normativ gehaltvolles Modell von demokratischen Öffentlichkeiten entworfen werden. Dies hat drei Vorteile. Es eignet sich erstens dazu, Prozesse der Digitalisierung und Automatisierung in den Blick zu nehmen. Zweitens können bestehende und neue Machtmechanismen beschrieben werden. Drittens lassen sich schliesslich Phänomene systemischer Verzerrungen von Kommunikation sowie von Dysfunktionen demokratischer Öffentlichkeiten identifizieren. Ein solcher Zugang zum Verständnis von Öffentlichkeit schafft die Möglichkeit, die Diskussionen rund um neue digitale Technologien zu ordnen. Phänomene wie Twitter-Bots, Medienkonsum über Facebook, Konversationen mit dem Smartphone oder automatisierte Gesichtserkennungsalgorithmen, die an öffentlichen Plätzen im Rahmen von predictive policing eingesetzt werden, sollen im Rahmen eines Analysemodells zugänglich und in einen Zusammenhang gesetzt werden können, ohne jedoch hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen über einen Kamm geschert zu werden. Die Bezugnahme auf Hintergrundwissen, Literatur und Nutzungsstudien zu neusten technologischen Entwicklungen sichert eine fundierte empirische Basis für den normativen Rahmen.

Um dies zu erreichen wird zuerst ein Verständnis von politischer Öffentlichkeit hergestellt. Dabei sollen vor allem die Dynamiken zwischen den Fragen untersucht werden, wie über was in welchem Raum gesprochen wird. Weiterhin müssen dann grundlegende Mechanismen von Kommunikation betrachtet werden. Hierbei wird die Theorie kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas als Ausgangspunkt genommen. Dieser Ansatz scheint für das Projekt besonders fruchtbar, da er eine Verbindung von Handlungs- und Systemtheorie anbietet und es damit erlaubt, sowohl die kommunikativen Praktiken der Verständigung zwischen Menschen ernst zu nehmen als auch systemische Mechanismen von Macht zu untersuchen und zu kritisieren. In technnik- sowie medienphilosophischer Hinsicht gibt es allerdings einige Mängel der Theorie, auf die hier reagiert werden soll. Dabei steht insbesondere die Frage im Mittelpunkt, ob Verständigung in Zeiten, in denen wir medial vermittelt und mit künstlichen Gesprächspartner und Gesprächpartnerinnen kommunizieren, noch mit einem Konzept wie dem des kommunikativen Handelns adäquat gefasst wird. Auf dieser kritischen Revision als Basis werden die normativen Grundlagen herausgearbeitet, die dann die explizierten Funktionen politischer Öffentlichkeit begründen. Diese Funktionen dienen als Bewertungsmassstab, um neue Phänomene digitaler Öffentlichkeit in einem letzten Schritt einzuordnen und zu bewerten.
 

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